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Wenn dich die Vergangenheit einholt

Vor Kurzem habe ich eine Nachricht erhalten, die meine Sicht auf mein Leben weitreichend verändert hat. Damit ihr meine Geschichte besser versteht, fange ich ganz von vorne an.

Mit 9 Jahren begann ich von zu Hause wegzulaufen, immer nach demselben Muster: auf gute Gelegenheit gewartet, zum Bahnhof gelaufen, in den nächsten Zug eingestiegen und in die Welt gefahren…naja, zumindest bis ich vom Kontrolleur erwischt und (meistens von der Polizei) nach Hause gebracht wurde. Da sich dieses Szenario ständig wiederholt hat, schaltete sich irgendwann das Jugendamt ein.

So kam es, dass ich mit 9 in ein Kinderheim kam. In meinen ersten Monaten in dieser Einrichtung wurde eine groß angelegte Diagnostik durchgeführt (siehe PDF unten), deren Ergebnis „Verdacht auf Asperger-Autismus“ lautete. Weder ich noch meine Eltern wurden von den Erziehern ausreichend über die Diagnose und mögliche Anzeichen für autistische Verhaltensweisen aufgeklärt. Dennoch habe ich mich einigermaßen konventionell entwickelt – ich habe soziale Regeln und Normen verinnerlicht, das Abitur bestanden und bin sogar im Besitz einer Fahrerlaubnis.

Nichtsdestotrotz habe ich, wenn ich die vergangenen Jahre resümiere, einige Differenzen an mir bemerkt, die mich von anderen Gleichaltrigen abgrenzen – ich war immer sehr introvertiert, hatte bis zu meinem 14. Lebensjahr keine Freunde und hatte eigenartige Interessen. Auch die Tatsache, dass ich das einzige „Ausländer-Heimkind“ in der Schule war (meine Familie kommt aus Polen), hat mich im Sozialleben der Schule immer sehr belastet und führte auch zu regelmäßigem Mobbing. Nachdem ich 2007 nach Görlitz an die polnische Grenze gezogen bin, habe ich 1-2 Freunde gefunden, die mich aufgenommen und akzeptiert haben – ansonsten hat sich nichts geändert.

Doch seit ich nicht mehr zur Schule gehe (also seit ca. 3 Jahren) und auch nicht mehr unter der Obhut der Jugendhilfe lebe, habe ich größere Veränderungen und Auffälligkeiten an mir bemerkt. Nachdem die meisten meiner Mitschüler in andere Städte gingen, um zu studieren, wollte ich in Görlitz bleiben und „auf mir bekanntem Terrain“ eine Ausbildung starten. Der Kontakt zu den Mitschülern (auch zu meinen Freunden) nahm rapide ab. Als ich von der Ausbildungsstätte nach nur 4 Wochen gekündigt wurde, habe ich komplett dicht gemacht, d.h. von der Außenwelt abgeschottet, nur noch rausgegangen wenn ich Essen o.Ä. brauchte, Telefon und Klingel ignoriert usw usw….auch ein späteres Wirtschaftsstudium habe ich nach 1 Semester abgebrochen, zuviel Stress, zuwenig Interesse an der Thematik. Irgendwann hat sich dann eine (offensichtliche) Depression „dazugesellt“, sodass ich kurz vor Weihnachten an einem Punkt „ganz weit unten“ war: keine Hoffnung, keine Perspektive, sinnlos in den Tag hineingelebt.

Dann kam allerdings der entscheidene Wendepunkt. 2 Wochen vor Weihnachten fand ich zufällig beim sortieren alter Dokumente diesen Befund. Nachdem ich mich im Internet ausführlich über die vielen Erscheinungsformen vom Asperger-Syndrom (AS) informiert habe und die Anzeichen/Verhaltensweisen mit mir selbst abgeglichen habe, stand für mich persönlich fest: Das muss es sein. Warum der Verdacht nie abgeklärt wurde, weiß ich nicht, und ich will erstmal auch keine Kraft mit Schuldzuweisungen vergeuden.

Das ist die grobe, sehr auf das Wesentliche beschränkte Vorgeschichte. In diesem Blog möchte ich nun schildern, wie ich mit der (Verdachts-)Diagnose zurechtkomme, wie sie mich in dier relativ kurzen Zeit seit weihnachten verändert hat und was ich nun an meinem Leben(sstil) ändern möchte.

Falls es Unklarheiten gibt oder solltet ihr Fragen zu meiner Vorgeschichte haben, schreibt einfach einen Kommentar.  Weitere Einträge folgen 😉